Kartoffelmehl in der Unterstützten Kommunikation

Habe ich hier schon einmal über Kartoffelmehl gesprochen? Das scheinen immer noch nicht alle zu kennen, deshalb hier der Tip für alle Therapeuten oder Pädagogen, die mit schwerbehinderten Menschen arbeiten. Dieses Klientel knirscht ja oft so stark mit den Zähnen, daß es garnichts anderes mehr wahrnehmen kann. Aus dieser oder ähnlichen Eigenstimulationen kann man die Menschen gewaltsam herausholen, aber es gibt einen raffinierteren und fairen Weg, ihnen etwas ähnlich Interessantes zu bieten: Kartoffelmehl!

Kartoffelmehl ist das einzige Material, was fast genau so knirscht wie die Zähne und besonders intensiv am Schädelknochen oder an anderen Knochen aufgelegt wirkt. Wir nähen für diese Personen kleine Säckchen mit doppeltem Stoff (keine Plastiktüte innen drin, sonst hört man nur das Plastik knistern) und diese Säckchen können dann an den Kopf, unter den Po, in den Mund, als Kissen, hinter den Rücken in die Sitzschale usw. ...

Die Person ist dann oft völlig erstaunt (Gesichtsausdruck!), daß es noch etwas anderes auf der Welt gibt, was fast so gut ist wie ihr eigenes Zähneknirschen. Sie ist erst dann bereit, auf äußere Reize zu achten und auch die anderen Angebote von uns wahrzunehmen. Sonst können wir uns die tollsten Sachen ausdenken, bei starkem Zähneknirschen kommt bei der Person nichts an! Es handelt sich manchmal um einen Zustand der nachgeburtlichen Symbiose, den die Menschen mit dem Knirschen versuchen, aufrechtzuerhalten. Sie wissen manchmal mangels positiver Erfahrung noch nicht, daß es auch andere Dinge gibt, die interessant und angenehm sein können.

Kartoffelmehl ist ungiftig, umweltfreundlich und wenn einer mal einen Sack durchbeißt, muß man ein bischen staubsaugen, aber es passiert nichts Schlimmes (wenn ich da an verschiedene Eßtherapie-Experimente aus dem Lehrbuch denke, bei "meinen" Kindern führte das fast zum Ersticken...). In größeren Einrichtungen geht man einfach zum Koch, der hat das Mehl in großen Tonnen vorrätig, und "leiht" sich ein Kilo. Also, einfach mal ausprobieren und mir bitte gerne über die Erfahrungen berichten!

Arvid R. Spiekermann

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