Aufzeichnung der Fortbildung "Einsatz von einfachen Kommunikationshilfen"

Montag, 27. April 1998
Referentin: Frau Dr. Peggy Locke, AbleNet, USA
Veranstaltungsort: Sozialpädiatrisches Zentrum Hannover

- Alle Aufzeichnungen sind von mir übersetzte Zitate von Frau Locke, ohne Gewähr! -

Themen:

A. Die AbleNet-Schalter
B. Grundsätze der Kommunikation
C. Wissenschaftliche Studien
D. Nachteile von Kommunikationshilfen mit Sprachausgabe
E. Die AbleNet-Kommunikationshilfen
F. Zubehör

 

A. Schalter

Es gibt keine Vorbedingungen für den Einsatz von Schaltern und Kommunikationshilfen!

Man lernt durch den Gebrauch. Wenn man abwarten will, bis jemand etwas erst perfekt kann, braucht man es nicht zu üben.

Nur die Schalter, die robust, haltbar und vielseitig sind, setzen sich durch und werden auch eingesetzt!

Big Red Switch war ursprünglich nur in rot erhältlich, deshalb der Name. Inzwischen in vielen Farben hergestellt, heißt aber trotzdem noch Big Red Switch. Er hat ein Kabelfach im Boden, um das Kabel dem Bedarf an Länge anzupassen.

Jelly Bean Switch als mittlerer, universeller Schalter und erste Empfehlung zum Testen.

Specs Switch als kleiner Schalter mit Grundplatte für verschiedene Befestigungsarten sowie Nylonband zum Fixieren an der Armlehne usw.

Der überstehende Rand der Schalter ist wichtig: Finger der Haltehand stören nicht beim Auslösen und vielseitige Befestigungen sind möglich.

Größe und Geräusch und Erreichbarkeit und Auffälligkeit der Schalter variieren mit den Modellen von groß bis klein.

String Switch mit Zugschnur, nur sehr wenig Zugmoment nötig, funtioniert bei geringer Muskelkraft am besten. Adaption mit Holzkugel usw. möglich.

Power Link Netzschaltadapter, wichtigstes Instrument für den Einsatz in Therapie und Alltag.

Direct Mode - Taste

Timed Mode - Zeitschalter von 1 bis 60 Sek. oder 1 bis 60 Minuten

Latch Mode - Ein-/Ausschalter

Partial Participation: Konzept der teilweisen Teilnahme

Schwerbehinderte übernehmen mit dem Power Link zwar nur Teilaufgaben, die natürlich noch nicht das Produkt fertigstellen. Aber es ist für sie trotzdem enorm wichtig und bedeutsam. Das Kind hat das Gefühl, es hat selbst Kekse gebacken, auch wenn es nur den Mixer eingeschaltet hat.

Geschichte: "Sweatin’ with Lindsey"

Turnübungen der Klasse zur Musik, von behindertem Mädchen ein- und ausgeschaltet.

Timed Mode erlaubt den Einsatz von Geräten, wenn die Person selbst, aber auch die anderen Personen die Zeitdauer nicht einschätzen können. Beisp.: Schulklasse, Kinder mit stumpfen Bleistiften lassen den Stift von behindertem Kind anspitzen, die eingestellte Zeit verhindert zu langes Anspitzen

Geschichte: Kaffee-fanatische Wohngruppe

Mann ohne Zeitverständnis schaltet mit Timer die Kaffemühle ein und exakt nach der gewünschten (voreingestellten) Zeit aus.

Wir dürfen nicht sagen "Drück’ mal den Schalter", sondern "Schalte doch einmal den Mixer ein"!

Switch, Latch and Timer

Schaltadapter, Funktionsweise analog Power Link, aber für Batteriespielzeug

3 Versionen: Single

Choice (für 2 Schalter und 2 Spielzeuge abwechselnd)

Dual (für 2 Schalter und zwei Spielzeuge gleichzeitig)

Beisp.: Kenru füttert die Fische im Klassenaquarium mit einer Kuh, die nach seinem Schalterbefehl losläuft, einen Becher umkippt und das Futter in das Aquarium kippt

Beisp.: Stifte werden am Schwanz der Kuh befestigt und damit Bilder gemalt

Beisp.: Kinder säubern die Tafel mit einer batteriebetriebenen Wasserspritzpistole, die das behinderte Kind aktiviert

Beisp.: Mundspüldusche zum Blumengießen

Die Choice-Version erlaubt nur die Aktivierung von einem der beiden angebotenen Geräte zur Zeit. Es lehrt, Entscheidungen zu treffen, besonders im Time Mode.

 

B. Grundsätze der Kommunikation

Noch vor zehn Jahren stellte man hohe Vorbedingungen, um AAC-Förderung zu erhalten. Heute heißt es: Jeder kann kommunizieren und jeder kommuniziert! Die einzige Vorbedingung ist, zu leben.

Kommunikation muß positiv sein! Auf die Taste dürfen keine Aussagen, die die Person nicht mag oder die unangenehm für sie sind. Sonst umgekehrter Effekt, niemand will kommunizieren mit Sätzen, die man nicht sagen möchte.

Altes Vorurteil: Kommunikationshilfen verhindern die eigene Sprache. Viele Untersuchungen belegen aber das Gegenteil.

Wenn der Druck zu hoch ist, etwas deutlich zu sagen, geht es wahrscheinlich am wenigsten! Kommunikationshilfen entlasten von diesem Stress.

Man erlebt oft bewegende und rührende Momente, die jeden Zweifel am Sinn von Kommunikationshilfen widerlegen, selbst wenn es nur Sätze von 20 Sekunden sind, die das Kind selbst vermutlich nicht einmal genau versteht.

Verhalten hat oft Ursachen, die wir nicht verstehen. Mit einer Kommunikationshilfe können Menschen sich mitteilen, sich erklären und ersparen sich und der Umwelt problematische Verhaltensweisen.

Bereits am Anfang der Förderung sollten bereits mehrere Sätze zur Verfügung stehen, ca. 15 Sätze.

Gleicher Zugang zu Kommunikationshilfen bei zwei oder mehr Geräten ist enorm wichtig!

Zum Erproben und Beüben von Diskriminierung zweier Botschaften ist es sehr sinnvoll, eine "neutrale" Taste einzusetzen. Diese bekommt ein neutrales, unbedeutendes Symbol und es passiert einfach nichts. Die Sicherheit der Auswertung wird auf 99% erhöht, bei zwei Tasten für "Getränk" und "Süßigkeit" wissen wir ja nicht, ob die Person den Unterschied erkennen kann - beide Antworten sind richtig.

Für sehbehinderte Personen symbolische Gegenstände auf dem BigMack befestigen, Strohhalm für "Getränk", Löffel für "Eis", usw.

Sprachausgabegeräte müssen mindestens ein Teil von jedermann´s Kommunikationssystem sein, da Sprache bzw. Sprachausgabe ein Menschenrecht ist.

Kommunikation bedeutet, daß Schwerbehinderte das machen können, was für uns alle selbstverständlich ist.

 

C. Wissenschaftliche Studien

(Kurzvorstellungen verschiedener Untersuchungen zu diesem Thema, eine Liste kann bei Prentke Romich oder ISAAC angefordert werden)

Kinder lernen modellhaft Kommunikation über die Kommunikationshilfe, die Motivation zu eigenem Handeln wird erhöht.

Personen ohne Sprache werden mit einer Kommunikationshilfe als leistungfähiger eingeschätzt als Nichtsprechende ohne Kommunikationshilfe. Man traut ihnen mehr zu und macht ihnen anspruchsvollere Angebote.

Durch das "Sprechen" mit der Kommunikationshilfe erlernen Behinderte die Sprache bzw. erweitern sie. Man darf also nicht warten, bis sie erst sprechen können.

Sprachausgabe unterstützt das Erlernen von graphischen Symbolen gegenüber gleichen Symbolen ohne Geräusch.

Sprache wird von allen Menschen auf der Welt genutzt, Sprachbehinderte wollen es natürlich auch.

Es wird mehr mit Personen geredet, die selber Kommunikation mit einer Kommunikationshilfe initiieren können. Die Beobachtung gilt für Kinder und Fachpersonal.

Logik alleine gebietet den Einsatz von Kommunikationshilfen, auch ohne Studien, wenn man Situationen erlebt wie z.B. ein Telefonat mit der Oma und das Treffen der beiden am nächsten Tag.

 

D. Nachteile von Kommunikationshilfen mit Sprachausgabe

- in lauter Umgebung nicht verständlich

- technisches Versagen möglich und irgendwann wahrscheinlich

- Scanning kann langsam sein

- Stimme ist schlecht verständlich

- fremde Personen verstehen sie nicht

- das Hilfsmittel ist nicht immer und überall vorhanden

- die Begleitung muß verständnisvoll sein

> das alles spricht aber nicht gegen eine Hilfe mit Sprachausgabe, sondern zwingt dazu, diese Kommunikationshilfen mit Sprachausgabe (VOCA) nur als Teil des Kommunikationssystems anzusehen.

Symbolsprachen und Gesten werden oft nach der Schulzeit vergessen oder nicht erweitert. Sprachausgabesysteme, die bis dahin aufgebaut wurden, zwingen das Personal dagegen zur Weiterentwicklung.

 

E. Die AbleNet-Kommunikationshilfen

BigMack

Beisp.: Zwei BigMacks am Pferdesattel angebracht, mit "anhalten" und "losreiten", das Kind nutzt immer nur den zweiten

Beisp.: Junger Mann benutzt den BigMack nur, wenn eine Person hereinkommt, die er mag. Bei anderen Personen verharrt er mit der Hand über dem BigMack, unerklärbar auf den ersten Blick.

Beisp.: Junger Mann wird zuhause verstanden, aber nicht ausserhalb des Heimes. Er sagt den Mitarbeitern, was er möchte, die sprechen es auf einen BigMack mit Gürtelhalterung und er geht damit in die Stadt.

Neuentwicklung One-Step Communicator

kleineres Gerät mit handlicherem Greif- und Auslösewinkel, weniger Fehlversuche.

Befestigungsplatte zur Wandmontage, für Slim Armstrong-Stativ, mit Gürtelschlaufe oder mit Haltestreifen vier Stück in einer Reihe.

One-Step mit Gürtel wird am besten akzeptiert, da es einfach zu bedienen ist und immer am Gürtel der Person vorhanden.

Beisp.: Freundespaar, der Junge, der sich nicht traut, sagt mit dem One-Step "ich möchte Schoko-Donut". Das Mädchen sucht sich selber etwas aus und der One-Step sagt nur "ich möchte den da".

Neuentwicklung Step-by-Step Communicator

75 Sekunden Sprache statt 20 Sekunden und mehrere Nachrichten möglich, aber nicht zur Auswahl, sondern nacheinander. Max. 45 Sätze, die mit jedem Tastendruck nacheinander abgerufen werden.

Mit einem Lock-Schalter kann man die momentane Ansage anhalten. Die eingebaute Schaltfunktion für andere Geräte kann bei ausgewählten oder bei allen Ansagen genutzt werden, z.B. ein Mixer beim Rezept an der richtigen Stelle.

Beisp.: Begrüßungsfloskeln, Gesprächseinleitungen, Bestellung bei McDonalds in Einzelsätzen, Rezepte, Arbeitsanleitungen, Witze für die Pausenhalle...

Beisp.: Schneller Spracheinsatz beim Schultheater, auch bei Talker-Benutzern, die im Scannen zu langsam sind.

Sinnvoll sind Skripts mit den Ansagen für verschiedene Anlässe, wenn man es überspielt hat und sich nicht erinnern kann.

Neuentwicklung All-Turn-It Spinner

Innenrad und Zeiger drehen sich unabhängig voneinander für ca. 10 Sekunden nach Schalterbetätigung. Außenring ist eine Schablone, entfernbar und austauschbar. Es können Würfel, Farben, Symbole, Spiele, Bilder, Schulaufgaben, usw. angebracht werden.

Würfelspiele sind auf der ganzen Welt verbreitet, der Einsatz klappt überall.

Beisp.: Monopoly, behindertes Mädchen würfelt für alle Teilnehmer

Beisp.: Kinderlieder, Symbole für Strophen, die dann gesungen werden

Beisp.: Körperteile, sollen im Unterricht benannt werden, im Innenkreis stehen Fragen oder Arbeitsanweisungen dazu. Auch bei Aktivierung des Spinners durch den Step-by-Step können die Anleitungen darüber entsprechend vorgetragen werden

Beisp.: Kleider zum Anziehen morgens auslosen, nur für Personen, denen es egal ist, was sie anziehen.

Neuentwicklung TV & VCR Remote

Fernbedienung für Fernseher und Videorecorder mit drei Grundfunktionen.

Beim TV: An - Programm hochschalten - Aus

Beim Video: An - Cassette an - Aus

 

F. Zubehör

Stativ-Befestigungssysteme

Universal Switch Mounting System mit einem Hebelarm zum schnellen Fixieren

Slim Armstrong Mounting System mit vielen Schrauben zum Einstellen, Teile abnehmbar, kurzer Aufbau möglich.

UltraStik

Haftfolie in passenden Größen für die Schalter usw., läßt sich überall befestigen und entfernen, nach längerem Gebrauch mit Wasser und Seife reinigen.

Snap SwitchCap

Durchsichtige Abdeckhaube für große und mittlere Schalter, erlaubt einfaches und schnelles Neubelegen mit Symbolen, die dann auch nicht versehentlich abreißen können.

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Soweit meine Aufzeichnungen. Weitere Ergänzungen und fehlende Zitate bitte an mich schicken!

Arvid Spiekermann, Ergotherapeut

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