Die Kommunikationssoftware Multitext und ausgewählte kindgerechte Spiele für den Schriftspracherwerb
(Dies ist der Text zu einem lustigen und erfolgreichen Seminar in Leipzig auf dem DVE-Kongress 2000 gewesen. Ein großer Teil des Seminars bestand natürlich im Ausprobieren der beschriebenen Software und Funktionen, was hier leider nicht wiedergegeben werden kann.)
1. Vorstellung
Ich
arbeite als Ergotherapeut in einem sozialpädiatrischen Zentrum, dem DRK-Schul-
und Therapiezentrum Raisdorf in der Nähe von Kiel. Aus der Arbeit mit schwer
körperbehinderten Kindern und Jugendlichen, die sich nur über Hilfsmittel
verständigen und nur mit technischen Hilfen schreiben können, entstand in
unserem Zentrum eine Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation,
angegliedert an die Ergotherapie (weitere Informationen darüber im Internet
unter www.Spiekermann.onlinehome.de/Beratungsstelle.htm).
2. Einführung
Schriftspracherwerb?
Hört sich ja nicht besonders aufregend an. Keine neue Wundermethode, kein neues
Hilfsmittel, direkt aus Schweden oder den USA oder... Kann man dazu einen Kurs mit Zertifikaten belegen?
Schriftspracherwerb? Das kann man ja irgendwie auch nicht so schnell greifbar
machen, den Eltern oder den Ärzten gegenüber erklären. Man kann es auch nicht
geheimnisvoll benennen und keiner traut sich zu sagen, dass er nicht verstanden
hat, worum es geht. Es gibt ja nicht einmal ein deutsches Wort für den
englischen Fachbegriff “literacy”, also die Fähigkeit, lesen und schreiben zu
können!
Und
doch hat der Schriftspracherwerb den wohl größten Einfluss auf den zukünftigen
Lebensweg des Kindes, welches hier in der Ergotherapie vor uns sitzt. Doch dazu
später.
Schauen
wir uns doch diese Zielgruppe erst einmal an: Infantile Cerebralparese,
Hyperaktivität, Attention Deficit Disorder, SI-Störung, Wahrnehmungsstörung,
gestörte Ordnungsschwelle, Konzentrationsstörung, MCD-Syndrom, mangelnde
Verknüpfung der Gehirnhälften, phonologische Gedächtnisstörung, mangelnde
Lautdiskrimination, Lese-Rechtschreibschwäche, Hyperkinetisches Syndrom,
Dyskalkulie, Legasthenie, Dopamin-Unterversorgung, mangelnde
Links-Rechts-Erkennung, ... - alles das sind die Diagnosen, mit denen die
Kinder ausgestattet sind. Viele haben auch Kombinationen oder Steigerungen
davon, in vielen Ausformungen.
Dazu
kommen noch die modischen Zeitgeist-Erkrankungen: Die Kinder sind
mediengeschädigt, haben ihre Fantasie verloren, können nicht mehr kreativ
spielen. Der Computer, die Playstation und der Fernseher haben sie zu
kontaktunfähigen Stubenhockern gemacht, die nicht einmal mehr wissen, dass eine
echte Kuh nicht lila ist.
Doch
wenn wir nach belegbaren Auswirkungen dieser Vermutungen suchen, wenn wir nach
Beweisen für diese Theorien suchen, dann sieht es ganz schlecht aus. In jeder
Kneipe oder Kantine werden alle am Tisch zustimmen, wenn man einfach behauptet,
dass die Kinder heute “so” sind. Jeder kennt so ein Kind oder hat mal von einem
Kind gehört oder kennt jemanden, der von so einem Kind gehört hat. Außerdem
liest man ja ständig davon in den Zeitungen. Und Wissenschaftler an einer Uni
irgendwo in Amerika hätten auch so etwas festgestellt, dann muß es wohl
stimmen.
Ich
will Einzelerscheinungen wie etwa die Schießerei eines Jugendlichen in Bad
Reichenhall im letzten Jahr nicht herunterspielen. Sie sind schlimm und
tragisch für die Opfer, aber es bleiben eben Einzelphänomene, die keinen
Rückschluss auf tausende von Kindern zulassen. Man kann schließlich aus Fällen
keine Analyse einer ganzen Generation machen. Wenn der ganze Rest der Jugend in
Deutschland das Gleiche macht und nicht durchdreht, kann es wohl kaum an einem
Videospiel gelegen haben. Hier werden konkrete Umfeldanalysen und Fragen nach
Verantwortlichkeit gerade bei der sich so kritisch gebenden
Erwachsenengeneration verdrängt und die Schuld auf technische Neuerungen
geschoben, die einfach nicht verstanden werden.
Der
Freizeitforscher Horst Opaschowski macht sich in seinem Buch „Generation@“
Sorgen darüber, dass die Kinder durch neue Medien heute zu einer „Generation,
die ständig unter Strom und leicht ablenkbar ... und deutlich aggressiver ist“
heranwachsen. Er beruft sich auf eigene Umfragen, in denen z.B. in
Suggestivfragen danach gefragt wird, ob die “Sinnesüberreizung”, die dabei in
der Frage einfach unterstellt wird, “die Menschen nervöser und aggressiver
macht”. “Barer Unsinn” urteilt darüber der Kinder- und Jugendpsychiater Prof.
Michael Schulte-Markwort der Universitäts-Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie Hamburg im STERN 52/99. “Weder für die angebliche
Reizüberflutung noch für wachsende Hyperaktivität gibt es Beweise. Ebenso wenig
für sinkende familiäre Zuwendung.”
Es
scheint mir eher so zu sein, dass diese Vorwürfe den Kindern gegenüber
inzwischen für alles herhalten müssen, was wir Erwachsene uns nicht genau
erklären können. Und wie bei jeder Generation vor uns gibt es auch heute viele
Dinge, die wir Erwachsenen an Kindern nicht verstehen - nur das es immer wieder
neue Dinge sind und die Erklärungsmuster der Soziologen der vorigen Generation
hier nicht mehr greifen. So wie sich die Menschheit durch die Einführung der
Eisenbahn oder dem Telefon verändert hat, soziologisch und biologisch, so
verändern sich Kinder inmitten der sich heute verändernden Welt. Und die
größten Veränderungen in den Lebensbereichen der Jugendlichen haben sich in den
letzten Jahren in technischen und medialen Bereichen abgespielt, vom
spielerischen Zeitvertreib über Musik in der Freizeit bis hin zur konkreten
Berufswahl.
Könnte
es nicht sein, dass gesunde Kinder sich die Anregungen holen, die sie brauchen?
Dass sie die Dinge untersuchen und benutzen, die für sie interessant sind und
sich nicht nach unseren Kriterien für Sinnhaftigkeit richten? Es könnte sogar
sein, dass Kinder früher als viele Erwachsene erkennen, was diese neuen
Technologien ihnen bringen werden. Versuchen Sie einmal, in einem
Lehrerkollegium den Gedanken aufzubringen, dass von den schulischen Inhalten
nach der Schulentlassung nicht mehr viel übrig bleibt, wenn diese nicht mit
neuen Medien und Techniken verbunden wurden. Ein aktuelles Phänomen auf dem
Arbeitsmarkt ist, daß in Schleswig-Holstein inzwischen zahlreiche Mitarbeiter
für Call-Center und ähnliche Arbeitsplätze gesucht werden, unabhängig von
Bildung oder Zensuren, gerne auch Studienabbrecher!
Natürlich
sind wir selbst dafür verantwortlich, dass Kinder keine Dinge erfahren und
erleben, die sie überfordern oder schädigen. Ich will auf keinen Fall den
Eindruck erwecken, jede technische Neuerung für Kinder gut zu finden. Ich kenne
z.B. nur wenige Kinder, bei denen der Game Boy oder die hektischen Spiele der
Playstation nach einer Weile nicht zu Nebenwirkungen führt. Dieses zu
beobachten und entsprechend einzugreifen ist aber die Aufgabe der
Erziehungspersonen und nicht der Spielkonsole. Wenn Kinder auf dem Spielplatz
zu lange Karussell fahren, wird ihnen schlecht - aber ist das Karussell daran
schuld? Und beim Vergleich der modernen Medien zu früheren Medien fällt mir als
erstes das Buch von Wilhelm Busch ein, bei dem in jeder Geschichte die Menschen
und Tiere auf äußerst brutale und auch sehr vielfältige Weise gequält und
umgebracht werden, ohne jedes Happy-End wie etwa in den alten Märchen.
In
der Ergotherapie haben wir natürlich besonders häufig mit Kindern zu tun, bei
denen die notwendigen Mechanismen der Eigenregulation gestört sind und die
besonders unsere Hilfe brauchen, um Erfolge erleben zu können. Dabei hat sich
in meiner Arbeit der Computer als neutrales Therapiemedium bewährt. Durch eine
Auswahl von kindgerechten Spielen, die oft nur geringe intellektuelle
Anforderungen stellen, können Kinder selbstständig Problemlösungen erarbeiten.
Die Spiele dürfen keine langen Einführungen und Erklärungen voraussetzen,
einfache Regeln und eine Spieldauer von höchstens einer halben Stunde sind für
eine Ergotherapieeinheit bestens geeignet. Der Computer erlaubt dann immer nur
ein schrittweises Vorgehen, was bei vielen Störungsbildern erst die Erfolge
zuläßt.
Bei
der Beobachtung der am PC spielenden Kinder fällt dann auf, wie zielorientiert
sie die Aufgaben erledigen, wie sehr sie genau die gewünschten Leistungen
erbringen und wie sie sich über die Erfolge freuen können. Besonders das
Ø
präzise Beobachten des
Bildschirms,
Ø
die
Auge-Hand-Koordination bei Maussteuerung (was vielen Erwachsenen nicht
gelingt!)
Ø
das Erkennen des
nächsten Schrittes,
Ø
das Abarbeiten aller
Schritte nacheinander,
Ø
Kritik anzunehmen bei
falscher Lösung einer Aufgabe,
Ø
die Steigerung der
Motivation und der Leistungsfähigkeit
und
viele Punkte mehr sind Erfolgserlebnisse mit einem PC. In dieser Beobachtung
und Steuerung des weiteren Vorgehens liegt nun die Aufgabe des Ergotherapeuten.
Auch Jean Piaget hat übrigens die meisten seiner Erkenntnisse durch einfaches
Beobachten von Kindern gewonnen. Die Analyse der erfüllten, besonders aber der
nicht erfüllten Aufgaben war ihm wichtiger als ein theoretischer Zugang mit
wissenschaftlichen Hypothesen über Kinder, die nicht der Realität entspringen.
Es
zeigte sich dann aber in meiner Arbeit, dass diese therapeutischen Fortschritte
bei SI-Leistungen und auch im allgemeinen Arbeitsverhalten immer noch keine
Verbesserung der schulischen Situation hervorrufen. Es war nicht so einfach,
daß das Kind durch die ergotherapeutischen Angebote und das Spielen am PC auch
besser lernen oder schreiben konnte, die Enttäuschung im schulischen Lernen war
eher größer als vorher. Das Kind hatte ja erst von mir gezeigt bekommen, dass
es nicht blöd ist und wurde dafür gelobt. Bei den Hausaufgaben scheitert es
dann aber doch wieder, trotz stundenlangen Übens und hoher Motivation.
Es
gibt also keinen direkten Zusammenhang zwischen erfolgreichem Spielen und dem
Schriftspracherwerb, der bei fast allen schulischen Leistungen in der
Grundschule vorausgesetzt wird. Diese Tatsache habe ich bei vielen
ergotherapeutischen Medien erlebt, von denen man sich eine Verbesserung der
Zensuren erhofft. Gerade vor den Zeugnissen sind ja viele Praxen für
Ergotherapie voll mit Kindern, die vor den Sommerferien noch schnell die
schlechten Zensuren aufbessern sollen. Viele schaffen das auch, allerdings nur
kurzfristig, durch besonderes Engagement, was wiederum die Lehrer beeindruckt.
Nach den Sommerferien treten die gleiche Probleme wie vorher auf. Es ist also
nicht bewiesen, daß die Erfolge durch echte Weiterentwicklung und echtes Lernen
eintreten. Möglich wäre genauso ein Placebo-Effekt, der durch das genauere
Hinschauen auf ein Problem eintrifft. Ich denke hier überwiegend an Kinder mit
schwereren Problemen, denn solche mit leichten, schnell zu behebenden Problemen
werden nicht in einem sozialpädiatrischen Zentrum auftauchen.
Bei
Kindern mit Allergien gibt es aber ein ähnliches Phänomen, wenn allein durch
die gesteigerte Beachtung der Krankheit bei komplizierten Therapieverfahren
eine Besserung eintritt. Leider gibt es auch zahlreiche Anbieter von Therapiehilfen,
die hier den zahlungskräftigen Eltern eine Verbesserung von Hirnleistungen
versprechen. Bei vielen dieser Anbieter entsteht bei mir der Eindruck, daß sie
ein Problem künstlich entwerfen, für dieses ein teures Hilfsmittel herstellen
und sich dann als Lösung dieses Problems anpreisen. Dabei zeigt sich, wie
wichtig eine kompetente Beratung durch Ergotherapeuten ist. Auch die vielen
“offiziellen” Therapieprogramme für die einzelnen Probleme, die wir in unserem
Zentrum ausprobiert haben, haben keinen überzeugenden Effekt gehabt, besonders
im Verhältnis zu der erbrachten Arbeit an Vorbereitung, Einarbeitung und
Programmdurchführung. Sie waren alle nicht kindgerecht aufgebaut und wirkten
eher abschreckend als motivierend.
Mein
Problem bestand also weiterhin. Wie können unsere Kinder möglichst selbständig
den Schriftspracherwerb erlernen? Eine Beobachtung der Situation beim Erledigen
der Hausaufgaben half mir dann weiter: Die Kinder fragen beim Üben jedesmal die
Mutter, ob sie das Wort richtig geschrieben haben. Erst wenn die Mutter das
geschriebene Wort vorliest, können sie die Fehler entdecken. Es muß also ein
Problem der Selbstkontrolle geben, das leise Lesen des Wortes reicht nicht aus.
Gut gemeinte Ermahnungen und endloses Üben helfen hier auch nicht weiter. Ich
probierte das zuerst durch persönliches Vorlesen des geschriebenen Textes, also
auch mit Fehlern, aus, was sehr vielversprechend erschien, aber noch zu
unselbständig war. Daraufhin besorgte ich für unsere Einrichtung
Computerprogramme, die den Text vorlesen. Damit ging es überhaupt nicht, da die
Programme von sehr schlechter Sprachqualität waren, manche sogar mit
ausländischem Akzent. Die Kinder erkannten das Vorgelesene nicht als “ihre”
Sprache.
3. Multitext mit Sprachausgabe zum
Erlernen des Lesens und Schreibens
Erst
bei dem Programm Multitext mit der hervorragenden Etex-Sprachsoftware
funktionierte das Vorgehen. Die Kinder erkannten die vorgelesenen Wörter als
ihre eigenen und bekamen direkt nach jedem Buchstaben die Rückmeldung über die
Veränderung am Wort durch den neuen Buchstaben. Es sieht bei einem Kind mit
diesen Schwierigkeiten dann so aus, dass man daneben sitzt und zuschaut, wie
das Kind ein Verständnis für Buchstaben bekommt. Schon nach kurzer Zeit kann
man das buchstabenweise Vorlesen reduzieren auf ein automatisches Vorlesen nach
jedem Wort und dann nur noch bei schwierigen Wörtern auf Knopfdruck. Man kann
es vielleicht mit Lego-Steinen vergleichen, bei denen man erst verstehen muß,
wie ein bestimmter Stein das bisher gebaute Haus verändert, um seine Ideen
umsetzen und nicht nur zufällige Erfolge erleben zu können.
Multitext
kann nun so eingestellt werden, dass sich für jedes Kind ein Fenster mit genau
für seine Probleme voreingestellten Eigenschaften öffnet. Die Schriftgröße läßt
sich natürlich voreinstellen, die Bedienknöpfe der Menüleiste sind individuell
einstellbar, Menüfunktionen abschaltbar (was bei Büro-Schreibsoftware sonst oft
zu einem Verirren in Untermenüs führt), vieles funktioniert aber auch einfach
mit der voreingestellten Automatik, so dass man einfach loslegen kann. Und es
funktioniert einfach so, ohne große Vorbereitung oder Fortbildung!
Eine
Funktion, die noch einmal eine deutliche Verbesserung brachte, sind die Hilfslinien.
Manche Kinder können sich auf einem weißen Bildschirm nicht orientieren und
finden ihre eigenen Texte nicht wieder, um vielleicht ein Wort einzufügen. Bei
den eingeschalteten Hilfslinien lesen diese Kinder zeilenweise und schrittweise
und schaffen es plötzlich!
Beim
Rechnen bekommt das Kind ein Papier mit Kästchen auf den Bildschirm und kann
darauf rechnen wie andere Kinder auf dem Papier. Mit einem Tastendruck wird
z.B. unter dem Strich die Schreibrichtung umgedreht und von rechts nach links zusammengezählt,
was in einem Schreibprogramm fast nicht zu schaffen ist.
Durch
die Rückmeldung von Lehrern, die sich über den Krach in der Klasse durch das
laute Vorlesen beschwerten und durch das Problem des Mithörens der Klasse bei
Rechenaufgaben wurde ich angeregt, Kopfhörer einzusetzen. Dabei zeigt sich,
dass diese Abschottung nicht nur der Klasse gut tut, sondern auch dem Kind,
welches sich plötzlich noch viel besser auf Aufgaben konzentrieren kann.
Offensichtlich sind viele Kinder mit Problemen in diesem Bereich auch
überfordert, die vielen akustischen Reize in einer Schulklasse zu sortieren.
Durch die Kopfhörer werden sie gezwungen, wieder schrittweise zu arbeiten und
nur bei den Schritten ihrer eigenen Arbeit zu bleiben. Die Erfolge, die sie
dann selber erfahren, motivieren sie zu solch intensiver Arbeit, dass sie schon
fast wieder gebremst werden müssen!
Ich
will hier keine endgültigen Aussagen treffen, welches Problem diese Kinder nun
wirklich haben. Ich möchte den zahlreichen Diagnosen auch keine weitere
hinzufügen. Für mich scheint es aber so, als ob jeder das Kind aus seiner
therapeutischen, pädiatrischen, neurologischen, psychologischen, logopädischen
oder anderen Sicht betrachtet und dann ein Problem findet und eine Lösung
anbietet. Das Kind ist aber ein ganzheitliches Wesen und hat vielleicht
Probleme in mehreren oder sogar allen Bereichen, ihm ist durch diese
Teillösungen überhaupt nicht geholfen. Ein Computer mit Multitext ist für
Kinder auf jeden Fall ein ungefährliches Medium, welches für viele Probleme
gerade die notwendige Hilfe anbietet und eine direkte Auwirkung auf die
schulischen Leistungen hat. Auch wenn manche Kinder noch eine Weile mit dem
Nachteilsausgleich des PCs in der Klasse arbeiten müssen und manche vielleicht
sogar nur am PC schreiben können (etwa die erzwungenen Linkshänder nach
rechtsbetonter CP beim ursprünglichen Rechtshänder!), die Einfachheit der
Problemlösung ist so verblüffend, das ich mir keine weiteren Gedanken machen
muß. In der Ergotherapie haben wir dann wieder viel Zeit, dem Kind z.B.
SI-Erfahrungen anzubieten, die ihm natürlich auf jeden Fall auch helfen, sich
weiter zu entwickeln, aber nun ohne den Erfolgszwang durch die schulische
Situation.
Zu
erleben, wie Kinder, die im Sonderpädagogischen Gutachten bescheinigt bekommen
hatten, nicht lesen und schreiben zu können und dann “nur” noch
lebenspraktischen Unterricht erhalten, mit einem Computerprogramm an einem
Computer genau diese Kulturtechniken erlernen und sich dann der ganze
Stundenplan und schließlich die gesamte Schullaufbahn verändert, gehört zu den
bewegensten Momenten in der Therapie. Die Motivation, selber neue Dinge
auszuprobieren, sich nicht auf besserwissende negative Aussagen von Erwachsenen
zu verlassen, führt auch zu einem neuen Grad von Selbständigkeit, dessen
Resultate an diesem frühen Punkt noch niemand erahnen kann.
4. Warum Spielen am Computer?
Ergotherapie
kann nicht auf ein methodisches Verfahren oder einen Teststatus reduziert
werden. Erfolgreiche Ergotherapie muss beinhalten, eine innere Haltung mit
emotionaler Wertschätzung dem Kind gegenüber zu entwickeln, die sich auf das
Kind einlässt. Die Gestaltung dieser Beziehung gelingt am besten im Spiel. Für
die therapeutische und pädagogische Praxis in der Frühförderung bzw.
Ergotherapie bedeutet das, dass wir uns auf die vielfältigen Formen von Spielen
einlassen müssen.
Spielen ist der Motor der kindlichen Entwicklung bei Vorschulkindern.
Spielen ist Ausdruck der Persönlichkeitsentwicklung.
Im Spiel werden alle Sinne gebraucht, alle sensorischen Integrationsleistungen
erbracht, ohne dass wir es steuern müssen.
Spielen
und spielerisches Lernen findet nicht nur in der Spieltherapie statt.
Spielen ist gleichzeitig Tätigkeitsform und Entwicklungsmittel, es verlangt
Voraussetzungen und ist wiederum Voraussetzung.
Spielen ermöglicht Kindern eine persönliche Sicht der Welt um sie herum und ist
Übungsfeld für soziale Interaktion.
Im
Sonntagsblatt vom 12.12.99 wird Jürgen Hilse von der Arbeitsgemeinschaft
Kinder- und Jugendschutz NRW zitiert: Wenn Eltern mit Abwehr auf Computer und
Computerspiele reagieren, dann werden Kinder in eine Verteidigungshaltung
gedrängt. Eltern können so nie erfahren, was Kinder an einem Computerspiel
fasziniert, warum sie mit Tastatur oder Joystick Spaß, Abenteuer und Kurzweil
finden. Diesen Spaß sollten Eltern ihren Kindern nicht nehmen. Schon gar nicht
mit der Aufforderung, am Computer nur „nützliche“ Dinge zu tun, von denen die
Kinder für Schule und späteren Beruf auch etwas lernen können. Kinder haben ein
Recht darauf, am Computer auch „nur“ zu spielen.
Auch
wir Therapeuten müssen uns von der Angst befreien, daß andere Menschen zufällig
hereinschauen und erstaunt feststellen, daß hier ja “nur gespielt” wird! Ich
möchte nun einige Spiele vorstellen, die ich sehr erfolgreich in meiner Arbeit
einsetze, natürlich nur als Auswahl, da es hier keinen endgültigen überblick
geben kann.
5. Ausgewählte Spiele
Pettersson und Findus, Teil I und II
Pippi Langstrumpf
Die Janosch Schule
Autorennen, z.B. Monster Truck
Madness
Flipper, z.B. The Web
Mixman Musikstudio
Löwenzahn / Peter Lustig
6. Adressen
Spiele:
Pearl Agency
Pearl-Straße 1
79426 Buggingen
SMM
Hechtenkaute 5
55257 Budenheim
Multitext Software:
Hindelang Software
87616 Marktoberdorf
Autor:
Arvid R. Spiekermann
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